Mit Rockabilly-Bass ins 21. Jahrhundert

Interview mit"Phil X Hanson" alias Felix Wiegand / Dick Brave & The Backbeats

von Oliver Poschmann

Wie so häufig bedurfte es künstlerischer Phantasie, einer großen Portion Unbekümmertheit, vor allem aber einfach dem Spaß an der Musik, um ein Projekt ins Leben zu rufen, das ursprünglich außer den beteiligten Musikern und einigen Fans niemand haben wollte. Es klingt wie ein Märchen: Eigentlich aus einer Wette geboren und allen negativen Prognosen trotzend, eroberte ein Pop-Star mit Rockabilly-Musik die Charts und erhält schließlich obendrein auch noch den ECHO 2004 und den VIVA Comet-Award. Die Rede ist von Sasha und der Band "Dick Brave & the Backbeats". Planet Guitar Autor Oliver Poschmann traf hinter den Kulissen den sensationellen Rockabilly Bassisten "Phil X Hanson" alias Felix Wiegand zu einem Inside Talk der anderen Art und sprach mit ihm über Dick Brave, Rockabilly und die Rolle des Kontrabass in der Popmusik im Allgemeinen:

?PG: Felix, wie bist du damals an eine Band geraten die eigentlich noch gar nicht existierte, hinter der jemand stand den man bis dato nur als Pop-Star kannte und von der niemand so recht wußte was im Endeffekt dabei herauskommen würde?

!FW: Angefangen hat die Sache im Grunde genommen mit dem rockabilly-verückten Gitarristen aus Sashas ursprünglicher "Pop Band", Andre Tolba. Auch Sasha hatte von jeher ein sehr breit gefächertes Musikinteresse und hing in seiner Heimatstadt häufig in einem Rockabilly Laden ab. Als Sasha und Andre Tolba im Rahmen einer Promo Tour quer durch die USA reisten besuchten sie in Memphis die Elvis Villa Graceland und hatten spontan die Idee irgendwann einmal eine Rock'n Roll Band zu gründen. Sashas zweiter Gitarrist Hano Busch war damals übrigens auch mit von der Partie. Und jetzt kommt König Zufall ins Spiel: Hano und ich bereisten nämlich gemeinsam mit dem Summit Jazz Orchester aus Regensburg auch schon einmal die USA. Lustigerweise waren auch wir in Graceland und teilten die gleiche Begeisterung für den Rock'n Roll, wie Sasha und Andre.

Den eigentlichen Anstoß für die Gründung der Band gab aber eine Wette zwischen Sasha und Mitarbeitern seiner Plattenfirma. Ursprünglich wollte er im Jahr 2003 eigentlich eine Pause einlegen. Doch dann kam ihm die "just for fun" Idee eine fiktive Band namens "Dick Brave & the Backbeats" zusammenzustellen und innerhalb von nur zwei Monaten ein Konzert zu bestreiten. Das hat man ihm wohl seitens der Plattenfirma nicht zugetraut und so kam die angesprochene Wette zu stande. So motiviert begann Andre Teuber dann tatsächlich für ein einzelnes Weihnachtskonzert in Dortmund eine Band zusammenzustellen zu der auch Hanno Busch gehörte. Ab dem Zeitpunkt kam ich ins Spiel, denn Gott sei Dank erinnerte sich Hanno noch gut an unsere gemeinsame Leidenschaft. Ursprünglich hieß es: "Ein Auftritt und eventuell noch ein paar mehr, aber sonst keine große Sache". Aber schon der 22.12.2003 wurde ein Mega Erfolg und die Band ging tierisch ab. Innerhalb kürzester Zeit entwickelte das Projekt dann eine unglaubliche Eigendynamik.

Unsere Spezialität sind kuriose Coversongs, wie z.B Michael Jacksons "Black or white" in der Rockabilly Fassung. Eigentlich also nichts wirklich neues! Weil wir aber teilweise Stücke auswählten von denen sich niemand vorstellen konnte, wie sie in einer Rockabilly-Version klingen würden entwickelte sich genau das zu unserem Markenzeichen. Mittlerweile haben wir ein Repertoire von ca. 50 Songs.

?PG: Dick Brave ist eine Live Band, Ihr seid lange getourt und habt die ganzen Arrangements auf der Bühne erprobt bevor ihr dann ins Studio gegangen seid - sehr ungewöhnlich und retro für die heutige Zeit - sicherlich aber auch ein Teil des Erfolgsrezeptes.

!FW: In der Tat. Kurioserweise wurde damit jedoch nie Promotion betrieben. Tatsächlich wurde auf dem Album alles live eingespielt. Ein Song sogar inklusive dem Gesang, ohne Overdub. Besonders stolz waren wir beim allerersten Titel den wir aufgenommen haben. "Twenty Flight Rock" heißt der Song und er war aus dem Stand ein "first take". Das ist wirklich vollkommen unüblich heutzutage. Wir hatten ca. 30 Gigs gespielt und stellten das Album aus den Sachen zusammen die live am besten bei den Fans ankamen. Wir waren einfach schon richtig gut eingespielt. 7-8 Tage dauerten die Basic Tracks. Alles auf Bandmaschine, gute alte Aufnahmetechnik im Hermes Studio in Kamen wo schon die Flippers ihre Platten aufnahmen.

?PG: Ihr seid mit Eurem Konzept dem größten Dilemma der heutigen Musikindustrie begegnet.Man versucht immer noch das Haus mit dem Dach zuerst zu bauen. Alles muss fertig sein, bevor es eigentlich losgeht.

!FW: Vollkommen richtig. Nun hast du als Liveband wiederum kaum die Möglichkeit zu spielen, wenn dich keiner kennt. Es war einfach eine glückliche Fügung weil wir das ganze Projekt ohne Erfolgsdruck angegangen sind. Ursprünglich war auch nur eine Spaß-Tournee geplant. Erst nach der zweiten Tour kam dann das Album. Sasha wollte zunächst überhaupt nichts von einem Album wissen, wollte das Ganze für sich behalten und keinen Erfolgsdruck damit verknüpfen. Die Band war halt zur rechten Zeit am Start. Vor ein paar Jahren hätte das vielleicht gar nicht so funktioniert.

?PG: Hat sich für Dich durch den Erfolg nun doch etwas verändert?

!FW: Nicht wirklich, wir haben immer noch den gleichen Spaß an der Sache. Wir können alles selber entscheiden und weil wir die Sache ja ohne fremde Hilfe angeschoben haben gibt es seitens der Plattenfirma keinerlei Interventionen. Trotz des Erfolgs sind die Backbeats erfreulicherweise auch eine echte Band geblieben. Es gilt: Alle, oder keiner. Allerdings müssen wir unser Equipment nicht mehr selber auf- und abbauen, so wie am Anfang (lacht).

?PG: Wie und mit welcher Musik hast Du auf dem Kontrabass ursprünglich angefangen?

!FW: Obwohl er selber nicht spielte war mein Vater ein großer Kontrabass-Fan. So fiel es ihm nicht schwer mich zu animieren es mit dem Instrument zu versuchen. Ich begann tatsächlich auf dem Kontrabass mit Rockabilly und Psychobilly. Später erst habe ich dann Jazz und Klassik gelernt und in Würzburg Musik studiert. Jetzt, nach dem Studium, hat mich die Vergangenheit quasi wieder eingeholt, obwohl ich auch während meines Studiums immer wieder Rockabilly gespielt habe. Mich fasziniert die urwüchsige Kraft die von der Musik ausgeht. Ähnlich dem Punk, aber nicht so brutal, jedoch mit der gleichen Energie. Es scheint so als sei ich mit meiner Art Kontrabass zu spielen in Deutschland in eine Marktlücke gestoßen. Tatsächlich werde ich sehr häufig genau wegen meines Rockabilly Backgrounds gebucht. Zum Beispiel von den "Walkatones", einer sehr guten Walking Band.

?PG: Hast Du Dir das Rockabilly "Slappen" selber beigebracht?

!FW: In der Rockabilly Szene gibt es wahnsinnig viele Bassisten die slappen. Slappen an sich ist sogar relativ einfach. Man muß sich 2-3 Monate mit blutenden Finger herumquälen und die Kraft und Geschwindigkeit ausbilden. Ganz brutal schnell wird es dann im sogenannten Psychobilly. Während der ursprüngliche Rockabilly in den 50ern entstand, war die Psychobilly Bewegung ein Phänomen der 80er Jahre. Die Leute sahen aus wie Skinheads mit Flat-Tops und Domestos gebleichten Hosen. Entscheidend beim Kontrabaß-slappen ist die Technik der rechten Hand. Die linke Hand ist dabei fast unwichtig. Ein paar Bassläufe und das war's.

?PG: Wie alt warst Du als Du mit dem Kontrass-Spiel angefangen hast?

!FW: Ca. 17 Jahre. Später ging ich dann auf die Musikschule. Ich war der Meinung wenn ich schon ein Musikinstrument lerne, dann richtig.

?PG: Es ist schon ungewöhnlich, dass Du in den 80ern mit einem Instrument wie Kontrabass in einer Stilrichtung wie Rockabilly angefangen hast - einem Genre das zu dieser Zeit doch ziemlich "out" war, oer?

!FW: Nun, wie gesagt rollte in den 80ern die Psychobilly Welle und außerdem waren die Stray Cats um Brian Setzer sehr groß. Im Grunde genommen gab es schon eine riesige Szene für diese Musik. Mein Heimatort Hemsbach war - warum auch immer - zum Beispiel eine echte Rockabilly Hochburg. Tatsächlich sind hier viele "Neo-Rockabilly-Bands" entstanden, wie z.B. die Roadrunners, Cat O Nine Tails, Dixi Rebels etc.. In kleinen Clubs kann man sie heute immer noch sehen. Ursprünglich hatte ich gar keine professionellen Absichten. Deshalb entschied ich mich auch erst mit 22 zu studieren, so dass ich wegen meines Alters beinahe keinen Studienplatz mehr bekommen hätte. Ich mußte 7 Aufnahmeprüfungen absolvieren und war kurz vor'm aufgeben, als es dann schließlich doch noch geklappt hat. Damals wollte ich unbedingt Klassik studieren. Zum damaligen Zeitpunkt hatte ich das Gefühl, dass mir dieser Studiengang am meisten bringen würde. Meine Entscheidung hatte allerdings zur Folge, dass ich wirklich bei Null anfangen musste. Intonation, Timing -ich war wirklich schlecht. Schließlich begann ich aber parallel zur Klassik in Würzburg Jazz zu studieren. Damals war ich der einzige an der Uni, der beide Studiengänge absolvierte.

?PG: Du bist sehr vielseitig unterwegs, spielst Rockabilly mit "Dick Brave", spielst Jazz, Musical, Klassik und auch E-Bass - unter anderem in einem ziemlich imposanten Elvis Projekt.

!FW: E-Bass fing ich wirklich ausschließlich wegen der Elvis Band an zu spielen. Früher war der E-Bass für mich der erklärte Feind. Später erkannte ich jedoch, dass jede einzelne Musikart ihre eigene Schönheit besitzt. Aus dieser Erkenntnis heraus begann ich also die Elvis Musik auf dem E-Bass zu spielen. Die Basslinien von Jerry Shef haben es mir wirklich angetan. Mir ist es extrem wichtig möglichst vielseitig zu arbeiten. Schon alleine die Klassik bietet eine unglaubliche Bandbreite. Letztendlich ist es für einen professionellen Musiker aber auch eine Frage des Überlebens stilistisch flexibel anbieten zu können.

?PG: Die Gretchenfrage beim Kontrabass ist ja: Wie bringst man den Sound live oder im Studio am besten rüber?

!FW: Das ist eine Art Lebensaufgabe für mich geworden. Ich glaube ich besitze alle Tonabnehmersysteme, die auf dem Markt erhältlich sind. Kurioserweise bin ich jahrelang bei dem billigsten System hängen geblieben. Letztendllich ist mir irgendwann einmal bewusst geworden, dass es keine Universal-Lösung gibt. Jede Situation stellt eben ihre eigenen Anforderungen an ein Tonabnehmer-System. Beim Jazz setzt man andere Prioritäten, als beim Rockabilly. Für Rockabilly brauche ich einen satten Ton. Den Slapsound nehme ich separat ab, fahre also mit zwei getrennten Kanälen. Für die Abnahme des Slap-Sounds verwende einen Piezo Tonabnehmer am Griffbrett, der über eine D.I. Box direkt zur P.A. geht. Die Abnahme des eigentlichen Bass-Sounds übernimmt zur Zeit ein Balsereit Tonabnehmer (Geigenbauer aus Köln), der recht flexibel ist.

Was aber häufig übersehen wird ist das einfach eine gute Spieltechnik nötig ist damit es verstärkt richtig klingt. Wenn man schwabbelig spielt oder die Saiten nicht abdämpft entstehen unter Umständen so viele Übersprechungen, dass der Sound immer schwammig rüber kommt. Erst als ich mit meinem akustischen Sound zufrieden war, begann ich mit der Suche nach einem geeigneten Soundsystem. Für mich ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Tech Verstärker "Black Cat" in Kombination mit einer Tech 6 x 10" Box die erste Wahl. Der Balsereit Tonabnehmer ist relativ feedbackunempfindlich. Kritisch wird es nur wenn die Subwoofer unter der Bühne liegen und alles mitschwingt - da muß man dann einfach durch.

Im Jazz verwende ich dann einen Gallien Krueger 200MB Combo mit einer kleinen Ampeg Portabass Box, den internen Speaker des Gallien Amps benutze ich nicht. Im Studio kommt dann ebenfalls der Balsereit Tonabnehmer zum Einsatz - plus irgend einem Vorverstärker für die Bässe und Mitten und ein gutes Mikrophon in der Gegend Steg für die Attack und die Höhen.

?PG: Das Wort zum Schluss: Wie geht es mit Dick Brave weiter?

!FW: Es war ein Projekt auf Zeit und es endet dieses Jahr mit ein paar ausgewählten Konzerten. Es wird dann nächstes Jahr wieder ein Sasha Album geben und wer weiß was die Zukunft bringt. Die Musik von Dick Brave hat zeitlosen Bestand und man kann sie jederzeit wiederbeleben, auch noch in 10 Jahren. Das ist das schöne daran.

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